DAS HAUSBOOT -- gibt es nun doch eine Definition?

In vielen Beiträgen der Literatur -- auch in den von mir veröffentlichten -- ist zu lesen, dass es eine Definition für das Hausboot nicht gibt -- bisher jedenfalls. Im neuen Leitfaden für Technik und Touristik zu Hausbooten des BVWW in Zusammenarbeit mit dem VBS e.V. vom Januar 2022 wird der Versuch vom VBS e.V. unternommen, eine Definition anzubieten.

Dort heißt es:

Hausboot:
Wasserfahrzeuge, die als Sportboot mit dem CE-Zeichen nach der Sportbootrichtlinie unter Verwendung eines Antriebsmotors als Antriebsart versehen sind und bei denen das Verhältnis der projizierten Unterwasserschiff-Seitenfläche des Rumpfes(AH) zur Windangriffsfläche (ALV) unter 1 liegt.

(Anm.: Es muss richtigerweise  ALV  heißen!)

Diese Definition ist zum einen bedeutsam, dass es die erste ist, die ein Hausboot beschreibt. Zum anderen macht sie deutlich, dass ein Hausboot ein CE-Zeichen und eine Antriebsmaschine besitzen muss. Dass hierzu auch eine Ruder- und Steuerungsanlage gehört, kann wohl ebenfalls als vorhanden unterstellt werden. Eine bestimmte Rumpfform wird nicht erwähnt.

Schließlich ist interessant, dass auf ein Verhältnis zwischen der Unterwasser-Seitenfläche und der Windangriffsfläche aufmerksam gemacht wird. Dies erscheint mir zu wissenschaftlich und sollte bei weiteren Veröffentlichungen nochmals näher erläutert werden, denn schließlich muss eine Definition für jeden Interessierten nachvollziehbar und verständlich sein.

 


 


Hausboot oder schwimmendes Haus? -- Chancen und Besonderheiten zum Thema "Leben auf dem Wasser"

Ein Beitrag von Dieter Dresbach

 

--> zum Download : Leben auf dem Wasser

 


Was ist ein Hausboot - Was ist ein schwimmendes Haus?


Ein Interview  durch "Ferien am Wasser" vom Juni 2019.

https://ferienamwasser.reisen/news/was-ist-ein-hausboot-was-ist-ein-schwimmendes-haus

 


Sind Hausboote und schwimmende Häuser zukunftsweisend?

Das Wohnen auf dem Wasser ist längst keine Ausnahme mehr. Die „Adresse Flussufer“, wie es die Süddeutsche Zeitung im Mai 2010 beschrieb, ist heute nicht nur in den Niederlanden normal, sondern fast auch schon bei uns in Deutschland. Aber eben nur fast, denn zum einen ist der Genehmigungsweg für ein  schwimmendes Haus in den 16 Bundesländern sehr unterschiedlich und zum anderen werden auch Hausbooteigentümer, die ihr Boot nicht nur vorübergehend an einer Steganlage festmachen, aufgefordert, ihr Boot zu demontieren. Die  schwimmende Architektur wird im Großen und Ganzen noch sehr stiefmütterlich behandelt.

 

Bereits im Jahre 2011 beschrieb die WeLT die schwimmenden Eigenheime als Trend, doch wurde damals  noch nicht klar zwischen einem „Hausboot“ und einem „floating home“, also einem schwimmenden Haus, unterschieden.

 

Diese unterscheiden sich von Hausbooten dadurch, dass sie keinen Antriebsmotor, keine Ruderanlage, keinen Steuerstand und keine Navigationsausrüstung besitzen. Sie sind ortsfest und zählen auch nicht gemäß der EU-Richtlinie 2013/53 bis zu einer max. Länge von 24 m zu den Sportbooten. Von diesen Merkmalen geht auch u.a. das „Technische Merkblatt – Grundlagen zur Planung, Konstruktion und Prüfung von Hausbooten und schwimmenden Häusern“ aus, das der Verein Internationale Bootsexperten e.V. im August 2017 herausgebracht hat. Das Merkblatt, das durchaus schon als Norm bezeichnet werden kann, beschreibt aber auch in aller Deutlichkeit, dass die Unterschiede zwischen diesen beiden schwimmenden Anlagen weit größer sind als nur in der unterschiedlichen Manövrierfähigkeit. An ortsfeste Wohnanlagen im Wasser sind höhere Anforderungen bezüglich Sicherheit, Ver- und Entsorgung, Erschließungsmaßmahmen und auch an die Zuwegung von Feuerwehr und Rettungsdiensten zu stellen. Nicht zuletzt muss Klarheit darüber bestehen, ob einem schwimmenden Haus oder einem Hausboot eine Wohnadresse zugewiesen werden kann, denn dies ist nur möglich, wenn das Haus auf einem Flurstück bzw. Grundstück im klassischen Sinne errichtet ist  - auch hierzu zeigt das Merkblatt Möglichkeiten auf.

 

Obwohl Hausboote und schwimmende Häuser zum Teil immer noch als schwimmende Luxus-Eigenheime bezeichnet werden, füllen sie inzwischen mehrere nachvollziehbare Lücken. Viele Kommunen, die in der Nähe von Gewässern liegen, haben die touristische Wertsteigerung erkannt. Nicht nur an Nord- und Ostsee hält das Wohnen auf dem Wasser an, sondern auch z.B. in der Fränkischen Seenlandschaft,  in einzelnen Gegenden des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen oder im Freistaat Sachsen

 

Sicherlich sind die Investitionen für das  Wohnen auf dem Wasser immer noch höher als auf dem Lande, doch gilt es zunehmend als echte Alternative. Durch die immer größer werdende Nachfrage nach Wohnraum und durch steigende Mieten in den Ballungsräumen der Großstädte muss es den Architekten und Stadtplanern  auch in Deutschland erlaubt sein, neue Siedlungsformen zu entwickeln, ohne dass diese Gedanken als „Unsinn“ bezeichnet werden.

 

 

In London, wie in vielen anderen Großstädten auch, sind die Mieten mit ca. 55 € pro Quadratmeter im Durchschnitt so hoch, dass selbst die Londoner aus ihrer eigenen Stadt vertrieben werden. Die Zahl der Einwohner steigt immer noch stetig an, doch das Bauland ist knapp und somit werden die Mietpreise in den nächsten Jahren weiter steigen. Aus dem Umland pendeln nicht nur viele Menschen nach London, sondern immer mehr Menschen ziehen auf ein Schiff, das sie sich entsprechend umbauen und als Wohnstatt  einrichten. Allein zwischen 2012 und 2016 ist die Zahl der Bootsbesitzer in London um 57 % gestiegen. Von den zz. vorhandenen rd. 4.000 „houseboats“ (sog. Narrow-Boote) in London werden ca. 60 % als Wohnungen genutzt, die überwiegend in privaten Marinas oder an Moorings entlang der Themse liegen .

 

 

In den Niederlanden wird mit dem Problem der Wohnungsnot wesentlich pragmatischer umgegangen. Hausboote und schwimmende Häuser sind dort ebenso vertraut wie der Umgang mit dem Wasser generell. In den Niederlanden gibt es rd. 15.000 dieser schwimmenden Wohnungen, während in der gesamten Bundesrepublik höchstens 250 vorhanden sind. Landgewinnung, Hochwasserschutz und auch neue Siedlungsformen sind Hauptthemen der Planer  bei den Wasser-Nachbarn. Während sich in den Niederlanden bereits die Gedanken um eine für schwimmende Anlagen neueste Art des Schwimmkörpers kreisen, müssen sich hierzulande Interessenten für eine schwimmende Wohnung erst durch einen Dschungel von Verordnungen kämpfen. Auch Architekten werden für zukunftsweisende schwimmende Architektur oftmals demotiviert, anstatt dass sie von Politik und Verwaltung  für innovative Arbeit Anerkennung und Unterstützung erfahren würden.

 

 

Doch wie sieht es tatsächlich im Paragraphendschungel in Deutschland aus? Unstrittig ist, dass ein schwimmendes Haus einer Baugenehmigung bedarf. Also sollte der Gang zu einem Architekten selbstverständlich sein. Dort angekommen würde man aber in den meisten Fällen eine Enttäuschung erleben, denn der klassische Architekt wäre sicherlich mit der Planung eines schwimmenden Hauses völlig überfordert. Hier ist der Blick ins Internet oder in verschiedene Fachzeitschriften der bessere Weg. Erst ein Architekt, der sich mit der Materie von schwimmender Architektur auskennt, ist in der Lage, alle Fachbereiche, die bei einem schwimmenden Haus beachtet werden müssen, mit in die Planung einfließen zu lassen. Das bereits erwähnte Technische Merkblatt (siehe oben) gibt hierzu umfassend Auskunft.

 

 

Sind nun alle Kriterien in den Planunterlagen berücksichtigt und ein genehmigungsfähiger Planentwurf erstellt, stellt sich  die Frage, bei welchem Amt dieser Bauantrag einzureichen ist. In der Regel wird es das Bauaufsichtsamt der Kommune sein. Doch hier ist die Prüfer  ziemlich allein gelassen, da die  Bauordnungen der Bundesländer keine speziellen Prüfkriterien für schwimmende Häuser enthalten. Bei aller Problematik kommt hinzu, dass für ein schwimmendes Haus auch eine wasserrechtliche Genehmigung erforderlich ist. Welche Behörde nun letztendlich die Genehmigung erteilt, ist in den Bundesländern auch nicht einheitlich geregelt.

 

 

In vier Bundesländern (Berlin, Hansestadt Bremen, Freistaat Sachsen und Sachsen-Anhalt) wird die Baugenehmigung dem wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren untergeordnet, in einem ist es umgekehrt Mecklenburg-Vorpommern). Die Hansestadt Hamburg geht mit ihrem Hausbootkoordinator einen vollkommen eigenen Weg und in den anderen Bundesländern ist sowohl eine Baugenehmigung, als auch eine wasserrechtliche Genehmigung erforderlich.

 

 

Einfacher ist das Genehmigungsprocedere, wenn in der Kommune ein rechtskräftiger Bebauungsplan existiert, in dem die Nutzung für Hausboote und schwimmende Häuser festgesetzt ist. Dann fällt das wasserrechtliche Prüfverfahren fort, denn im Aufstellungsverfahren zum Bebauungsplan ist dieses  bereits Bestandteil der einzelnen Beteiligungsschritte nach dem Baugesetzbuch. Aber auch das Baugenehmigungsverfahren kann sich unter Umständen einfacher gestalten, so z.B. durch § 67 Abs. 1 BauO NRW (allerdings erst ab 01.01.2019). Selbst dieses Verfahren ist in den Bauordnungen nicht einheitlich geregelt. Da die Genehmigungsverfahren in die Hohheit der Länder fallen, wird in der Fachliteratur vorgeschlagen, Bebauungspläne aufzustellen, damit für Interessent und Investor ein Höchstmaß an Rechtssicherheit gegeben ist. Aber auch die Übernahme der bauordnungsrechtlichen Verfahren speziell für die schwimmende Architektur würde jedem Bauamt die Arbeit erleichtern.

 

 

Als Fazit kann festgestellt werden, dass das Wohnen auf dem Wasser angesichts knappem und als Folge teurem Baulandes wirtschaftlich immer interessanter wird. Es wäre zu wünschen, wenn die Bauordnungen der Bundesländer einheitliche und klare Regelungen enthalten würden, auf deren Basis die behördlichen Stellen Genehmigungen für schwimmende Häuser mit der gleichen Rechtssicherheit ausstellen können, wie bei Gebäuden an Land, damit Wohnen auf dem Wasser  nicht mehr nur eine Alternative für Aussteiger und Lebenskünstler bleibt.

 

Dieser Artikel ist unter dem Titel "Liegt die Zukunft auf dem Wasser?" in "STADT und GEMEINDE - digital" beim  Deutschen Städte- und Gemeindebund 03/2018 erschienen! Er steht auch zum Download bereit!

 

Dieter Dresbach, Juni 2018